Die Österreichische UNESCO-Kommission hat der ARGE Streuobst am 01.12.2023 mitgeteilt,
dass der „Streuobstanbau in Österreich“ in das nationale Verzeichnis des immateriellen
Kulturerbes in Österreich aufgenommen wird.
Hans Hartl, Obmann der ARGE Streuobst, freut sich besonders über diesen Erfolg: „Das
Prädikat „immaterielles Kulturerbe“ ist eine besondere Auszeichnung und Anerkennung
für alle jene Menschen, die sich seit Generationen um die Erhaltung der
Streuobstbestände und der damit verbundenen Kultur in Österreich bemühen.“
Laut UNESCO-Kommission stiftet der Streuobstanbau in Österreich „sozialen Zusammenhalt,
strukturiert den Alltag und ist ein Wiedererkennungsmerkmal für die betroffenen Regionen. Die
sowohl innerfamiliäre als auch im Rahmen des öffentlichen Lebens und in Vereinen erfolgende
Weitergabe ist ein wichtiges Erfolgskriterium für die Erhaltung.“
Die Urkundenverleihung durch die UNESCO-Kommission wird im Laufe des Jahres 2024
erfolgen.
Blühende Streuobstbäume im Frühjahr
Foto: Rainer Silber
Breite Unterstützung des Antrages der ARGE Streuobst
Josef Breinesberger aus dem Mostviertel hat die Beantragung koordiniert: „Das Ansuchen der
ARGE Streuobst wurde von vielen Menschen mitgetragen. 3.570 Einzelpersonen und 151
Organisationen mit insgesamt mehr als 1,4 Mio. Mitgliedern gaben Unterstützungserklärungen
ab.“ Leopold Reikerstorfer, Obmann-Stv. der ARGE Streuobst bedankt sich bei den vielen
Unterstützerinnen und Unterstützern, „diese große Befürwortung zeigt, dass der
Streuobstanbau sowie die Bräuche und das Wissen dahinter ein Anliegen breiter
Gesellschaftskreise in Österreich sind.“ Die ARGE Streuobst wird ihre Bemühungen weiter
fortsetzen und steht als Ansprechpartnerin für alle jene zur Verfügung, denen die Erhaltung des
Kulturerbes ein Anliegen ist. Der Verein vernetzt Streuobstinitiativen und Akteur*innen und
vertritt gemeinsame Anliegen nach außen.
Obstbaumschnitt-Kurs
Foto: Hans Hartl
Die Streuobstbäume als materielle Basis des Kulturerbes – anhaltender Rückgang
Der Streuobstexperte Christian Holler, der an der fachlichen Ausarbeitung des Antrages
mitgewirkt hat, erläutert: „Der Streuobstanbau mit seinen extensiv bewirtschafteten
freistehenden großkronigen Obstbäumen entstand vor allem ab dem 17. Jahrhundert.
Streuobstwiesen sind aus einer landwirtschaftlich-kulturellen Entwicklung hervorgegangen und
direkt an menschliches Wissen gebunden. Die Streuobstbäume und die Obstsortenvielfalt sind
die maßgebliche materielle Basis des immateriellen Kulturerbes.“
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts gehen die Streuobstbestände europaweit kontinuierlich zurück,
hauptsächlich auf Grund der Rationalisierung und Spezialisierung in der Landwirtschaft. Waren
in Österreich um 1930 noch ca. 35 Mio. Streuobstbäume vorhanden, so sind es heute nur mehr
rund 4,2 Mio. Bäume. Der Rückgang hat sich seit den 2000er Jahren zwar verlangsamt, hält
aber weiterhin an. Ursache sind mangelnde Wertschätzung verbunden mit hohem
Arbeitsaufwand und geringer wirtschaftlicher Rentabilität, sowie schwindendes Wissen und
fehlende Fertigkeiten. Eine Folge davon ist der schlechte Erhaltungszustand vieler
Streuobstbestände.
Rainer Silber, Obmann-Stv. der ARGE Streuobst, ergänzt: „Mit dem Rückgang der
Streuobstwiesen schwindet nicht nur eine traditionelle Kulturlandschaft für den Menschen,
sondern auch ein ökologisch wertvoller Lebensraum für zahlreiche seltene Tier- und
Pflanzenarten. Mit der Anerkennung als immaterielles Kulturerbe hoffen wir, die vielfältige
Bedeutung des Streuobstanbaus einer noch breiteren Öffentlichkeit bewusst zu machen.“
Die Kernelemente des immateriellen Kulturerbes „Streuobstanbau in Österreich“
Bis heute wird der Streuobstanbau durch das Engagement von Obstbaumbesitzer*innen,
Mostereien, Direktvermarkter*innen, Initiativen, Vereinen und Verbänden in ganz Österreich am
Leben gehalten und weiter tradiert. Im Kern der Ausübung stehen an erster Stelle die arbeitsund
zeitintensive Pflege und Bewirtschaftung der Obstbäume und der Unterkulturen sowie die
Obsternte, -lagerung und -verarbeitung. Traditionelle Handwerkstechniken und Gerätschaften
zum Baumschnitt, zur Veredelung oder Verarbeitung sind dabei fester Bestandteil der Praxis.
Weitere Ausdrucksformen des immateriellen Kulturerbes sind verschiedene Bräuche und
Rituale wie beispielsweise die Neupflanzung von Bäumen bei Geburten oder die Ernennung
von Mostköniginnen und -prinzessinnen als auch zahlreiche öffentliche Feste wie Mosttaufen,
Obstblütenfeste, Tag der Streuobstwiese oder Tag des Mostes und Mostkosten.
Das Wissen, welches im Rahmen der Kulturform über Jahrhunderte entwickelt, bewahrt und
weitergegeben wurde, ist so vielfältig wie die Streuobstbestände selbst: Neben dem
landwirtschaftlichen Erfahrungswissen um Bewirtschaftungspraktiken und die dazugehörigen
Handwerkstechniken, ist auch das Wissen über tausende Obstsorten und deren richtige
Standorte und Nutzung, für den Erhalt der Kulturform unabdingbar. Dieses Wissen wird von
zahlreichen Akteur*innen, wie Landwirt*innen, Naturschützer*innen, sortenkundigen
Pomolog*innen und Obstbaufachleuten bewahrt und auf Tagungen, Lehrgängen, sowie durch
Praxiskurse weitergegeben. Auch durch interaktive Ausstellungen, in Freilichtmuseen,
Streuobstpfade und Online-Portale sind Informationen öffentlich zugänglich. Durch
verschiedene Umweltbildungsprogramme werden bereits Kinder und Jugendliche in die
Kulturform eingebunden und das damit verbundene Wissen kreativ an künftige Generationen
vermittelt.
Der Streuobstanbau und die Streuobstbestände selbst sind ein Stück regionaler Identität. Am
landschaftsprägenden Charakter der Obstbäume erfreuen sich viele Menschen. Viele typische
Streuobstgetränke, wie Most, Cider oder Fruchtsäfte, haben überregional Kultstatus. Nicht
zuletzt ist dieser Bedeutungsgewinn auch dem hohen ökologischen Wert der extensiv
bewirtschafteten Streuobstbestände sowie dem Trend zu nachhaltigen Lebensmitteln
zuzuschreiben.
Website der ARGE Streuobst
Weitere Infos zur Anerkennung des Streuobstanbaus in Österreich als immaterielles Kulturerbe:
Hintergründe zum Prädikat „Immaterielles Kulturerbe“ auf der Website der österreichischen
UNESCO-Kommission
Kontakte für Rückfragen:
ARGE STREUOBST
Österreichische Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Streuobstbaus und
zur Erhaltung obstgenetischer Ressourcen
Obmann Hans Hartl, Tel. +43-664-430 06 95
Obm-Stv. Leopold Reikerstorfer, Tel. +43-664-44806448
Obm-Stv. Rainer Silber, Tel. +43-699-81247547
Projekt-Betreuung Christian Holler, Tel. +43-664-4773149
Projekt-Betreuung Josef Breinesberger, Tel. +43-664-3387224
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